Einleitung
Vorworte
Unsere Stimmen zu Inklusion und Mitbestimmung
Wir haben Vertreter*innen der Lebenshilfe Frankfurt gefragt:
Wie stellen Sie sich eine inklusive Zukunft vor? Was tun Sie? Was ist Ihnen besonders wichtig?
Gefragt haben wir:
- den Selbstvertreter-Rat der Lebenshilfe Frankfurt
- Jens Pössel: Vorsitzender des Aufsichtsrates
- Dominique Deneu: Vorständin der Lebenshilfe Frankfurt
Lieber Selbstvertreter-Rat, wie stellt ihr Euch eine inklusive Gesellschaft in der Zukunft vor? Was ist Euch dabei besonders wichtig? Und was würde sich für alle Menschen verändern, wenn die Gesellschaft wirklich inklusiv wäre?
Selbstvertreter-Rat:
Eine inklusive Gesellschaft bedeutet für den Selbstvertreter-Rat:
- Wir können selbst entscheiden, wo wir arbeiten oder eine Ausbildung machen.
- Alle Betriebe werden zu Inklusionsbetrieben.
- Wir werden nicht unterschätzt und können unsere Talente ausleben und nutzen.
- Wir verdienen normal Geld, das heißt Mindestlohn oder mehr.
- Wir können uns die Wohnungen leisten, in denen wir leben möchten. Wir werden beim Wohnen unterstützt, wenn wir Hilfe benötigen.
- Wir lernen neue Menschen und Orte kennen: Beim Ausgehen, Feiern, im Café…
- Wir lernen neue interessante Dinge und tauschen uns mit anderen aus.
- Wir haben Freundschaften und Liebesbeziehungen.
- Wir machen bei der Politik mit. Wir sagen unsere Meinung und gestalten mit.
Und das Wichtigste: Wir müssen nicht extra „gehört und gesehen“ werden. Denn wir gehören einfach dazu.
Menschen mit Beeinträchtigungen werden nicht behindert – sie leben mittendrin. Das ist normal.
Wenn die Gesellschaft wirklich inklusiv ist, dann verändert sich nicht nur unser Leben, sondern das Leben aller Menschen.
Lieber Jens Pössel: Was tut die Lebenshilfe Frankfurt, damit die Stimmen von Menschen mit Beeinträchtigungen und von ihren Angehörigen gehört werden?
Jens Pössel:
Bei der Lebenshilfe Frankfurt ist es uns wichtig, dass alle mitreden können. Dazu gehören Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen.
Seit 2018 gibt es den Selbstvertreter-Rat. Dort sprechen Menschen mit Behinderungen für sich selbst. Heute sind es 11 Selbstvertreter*innen, die sich für Mitbestimmung und Teilhabe einsetzen. Sie sind wichtige Gesprächspartner*innen – nicht nur für uns im Aufsichtsrat und für die Vorständin. Auch Politiker*innen in Frankfurt, Hochschulen und die Volkshochschule (VHS) laden sie ein. Sie sind bekannt als Expert*innen in eigener Sache.
2025 haben wir das Projekt „Unser Recht“ gestartet. Dort geht es um Rechte und Mitbestimmung von Menschen mit Behinderungen. Ganz konkret geht es auch darum, welches Recht auf Unterstützung Menschen mit Behinderungen haben. Und wie sie zu ihrem Recht kommen. Wir wollen Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen stark machen, für ihre Recht zu kämpfen.
Und seit 2025 gibt es auch wieder Angebote für die „Angehörigen-Selbsthilfe“. Dort tauschen sich Angehörige aus und unterstützen sich gegenseitig.
Auch im Aufsichtsrat der Lebenshilfe Frankfurt sind Angehörige mit dabei. Der Aufsichtsrat hat wichtige Aufgaben: Er kontrolliert die Finanzen. Er begleitet die Arbeit der Vorständin. Und er trifft strategische Entscheidungen. Also Entscheidungen, die die Richtung in der Zukunft bestimmen.
Das zeigt: Mitbestimmung ist bei uns kein Extra – sie gehört dazu.
Früher hat man gesagt: Über Geld spricht man nicht. Heute ist das anders. In der sozialen Arbeit wird viel über Geld gesprochen. Warum ist das so Frau Deneu?
Dominique Deneu:
In Hessen geht es in der Eingliederungshilfe gerade um Umsetzung des Bundesteilhabe-Gesetzes. Leider geht es immer weniger darum, wie Teilhabe für Menschen mit Beeinträchtigungen weiterentwickelt wird. Es geht immer mehr darum, wie und wo Geld gespart werden kann.
Wir als Lebenshilfe Frankfurt sagen ganz klar: Es darf nicht bei den Menschen gespart werden, die Unterstützung brauchen. Wenn die notwendigen Gelder gestrichen werden, hat das direkt Folgen für die Menschen. Menschen mit Beeinträchtigungen bekommen nicht die Unterstützung, die sie brauchen.
Es gibt weniger Angebote. Das bedeutet: Weniger Möglichkeiten für Teilhabe. Beispielsweise fehlen in Hessen Tagesförderstätten. Für Menschen mit umfassenden Beeinträchtigungen enden Inklusion und die Teilhabe nach der Schule. Das ist gegen die Behindertenrechts-Konvention.
Es wird nicht weiterentwickelt. Das bedeutet: Neue Ideen und Projekte bleiben liegen. Das ist jetzt schon so. Leider. Das können wir aber ändern.
Und was genauso schlimm ist: Menschen mit Beeinträchtigungen und ihre Familien werden oft nicht gefragt. Sie sind nicht mit am Tisch, wenn über sie entschieden wird. Das ist unfair – und gefährlich. Denn: Wenn bestimmte Gruppen nicht gehört werden, dann haben sie weniger Einfluss. Dann wird über sie entschieden, aber nicht mit ihnen gemeinsam.
Wir sagen: So geht das nicht. Wer betroffen ist, muss beteiligt werden. Gute Unterstützung entsteht nur gemeinsam.
Deshalb setzen wir uns ein: für echte Teilhabe, für Mitbestimmung, für sichere Finanzierung, und für mehr Bewusstsein in der Politik. Denn: Geld für soziale Hilfe ist gut angelegt. Es hilft nicht nur einzelnen Menschen – es stärkt uns alle als Gesellschaft.